Alt und behindert in Taunusstein

Inklusion – dieses Wort meint, dass jeder, ob alt oder jung, behindert oder nicht, jeder darf und soll am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Damit das auch geschieht, muss Teilhabe von Anfang an mitgedacht werden, bei allem, überall! Inklusion ist in Deutschland ein gesellschaftliches und politisches Ziel. Daher steht seit 1994 in unserem Grundgesetz:

Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(Artikel 3, Grundgesetz)

Nicht nur die älteren Menschen unterliegen Einschränkungen, auch manche jüngere habe aufgrund eines Unfalls, von Geburt an oder verursacht durch eine Erkrankung die eine oder andere Hilfestellung nötig. Und in Taunusstein hat unter anderem auch der Seniorenbeirat ein Auge darauf, dass die Stadt barrierefrei wird. Der Seniorenbeirat, dessen Vorsitzender Dietmar Enders ist und der sich zu regelmäßigen Sitzungen zusammenfindet, ist seit 1994 Mitglied in der Landesseniorenvertretung Hessen. Unter Leitung des stellvertretenden Beiratsvorsitzenden Norbert Weimar kümmert sich die Arbeitsgemeinschaft „Barrierefreies Taunusstein“ darum, dass Inklusion immer wieder zum Thema gemacht wird.

Und das ist in Taunusstein auch dringend notwendig. Noch immer werden Baupläne aufgestellt, die Treppen an Orten vorsehen, die eine Rollstuhlfahrerin oder ein älterer Herr nicht oder nur sehr schlecht bewältigen kann. So geschehen bei der Vorstellung des neuen Aartalzentrums am 02.02.2022 im Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Mobilität.

Treppe Quartiersplatz hinunter ins Aartal
© Planergruppe ASL

Im Bereich des geplanten sogenannten Quartiersplatzes sollen auch größere Bäume, die für eine ausreichende Beschattung des Platzes sorgen, angepflanzt werden und Bewohnern und Gästen zur Erholung dienen. Vom Platz hinunter ins Aartal ist eine Treppe vorgesehen, wie auf dem Bild links zu erkennen ist. Viele kleine Appartements sollen im neu gestalteten Komplex entstehen, in denen auch Senioren und Seniorinnen sich gerne niederlassen werden. Senioren aber sind bisweilen nicht mehr gut fußläufig, teils mit Rollator unterwegs. Wie, frage ich mich, ist der Zugang der älteren Menschen und Kinderwagen- und Rollstuhl- bzw. Rollatornutzern hinein ins Aartal vorgesehen? Weite Umwege links und rechts der Treppe (z. B. über den Fahrradweg um das Areal herum) können wir den älteren Mitbewohnern und den Kinderwagen-Eltern nicht zumuten. Einen eingeplanten Aufzug kann ich daneben nicht erkennen.

Treppe RheinMain CongressCenter Wiesbaden

In Wiesbaden wurde hoch zum RheinMain CongressCenter ebenfalls eine – hier deutlich größere – Treppe gebaut. Aber die Bauherren haben mitgedacht. Rechts neben der Treppe befindet sich der Aufzug. Er ist groß genug, um einen Rollstuhlnutzer mit Begleitung oder auch ein bis zwei Fahrräder noch oben zu befördern. Bleidenstadt ist nicht Wiesbaden und das Aartalzentrum sicher nicht mit dem RheinMain CongressCenter vergleichbar. Aber auch hier könnte man im Gebäude daneben einen Aufzug hinunter in die Tiefgarage vorsehen, der an dieser Stelle dann alle Besucher und Gäste mit Einschränkungen sicher und komfortabel hinunter ins Aartal befördert.

Ein weiteres – und richtig ärgerliches – Thema ist die zögerliche – gesetzlich vorgeschriebene – Umsetzung, alle Bushaltestellen im Stadtbereich barrierefrei zu gestalten. Die Stadt ist dabei, ja und sie braucht einfach noch ein wenig Zeit, sich auf die seit 1. Januar geltenden Bestimmungen einzustellen. Nein, die Stadt Taunusstein wurde nicht eiskalt und plötzlich von einer Inklusionsvorgabe des Gesetzgebers überrascht.

In § 8 Absatz 3 Satz 3 des Personenbeförderungsgesetzes PBefG ist festgelegt, dass für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen ist. In Kraft getreten ist dieser Passus des Gesetzes mit seiner Novellierung zum 01.01.2013, also vor neun Jahren. In diesem Jahr hat die Stadt eine Übersicht in die politischen Gremien eingebracht, die darstellt, wieviele der Bushaltestellen bislang den Barrierefrei-Vorgaben entsprechen. Und obwohl die Stadt Taunusstein neun Jahre Zeit hatte, die Bushaltestellen umzurüsten (vielleicht ja auch vor der Gesetzesänderung eine solche Notwendigkeit gesehen hat), stellen noch viele Haltestellen für Menschen ein Hindernis dar, die mit einem Rollstuhl unterwegs oder gesundheitlich beeinträchtigt sind oder einfach nur mit dem Shopper einkaufen wollen. Eine Reihe dieser Haltestellen befinden sich „in Klärung“ oder im „Zuständigkeitsbereich anderer Institutionen“.

So bleibt nur zu wünschen, dass der Seniorenbeirat den Fortschritt beim Umbau hier in der Stadt genau im Auge behält und dass die beiden neuen ehrenamtlichen Behindertenbeauftragten des Rheingau-Taunus-Kreises, Anita Seidel und Günter Soukup, sich die Bushaltestellen im Kreis und damit auch in Taunusstein ansehen, deren Ausbau bislang noch nicht angegangen wurde.

Wir wollen Menschen mit Beeinträchtigungen einbeziehen, statt sie auszugrenzen.

Das ist die Maxime der beiden Behindertenbeauftragten des Kreises, die nun auch telefonisch und per Mail erreichbar sind.

Und bereits in der Vorstellung der beiden Behindertenbeauftragten durch Landrat Frank Kilian lautet eine der zahlreichen Fragestellungen, mit denen sich die beiden beschäftigen wollen:

Sind die Haltestellen im Kreisgebiet alle barrierefrei?

Die UN-Behindertenrechtskonvention von 2008 spricht sich neben der Bekräftigung der Menschenrechte auch für behinderte Menschen dezidiert für deren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben aus. Allen Menschen soll nach Artikel 9 der Konvention die uneingeschränkte Teilnahme an allen Aktivitäten möglich sein. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales verlinkt die deutsche Übersetzung des „Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ unten auf seiner Webseite unter der Überschrift „UN-Kon­ven­ti­on über die Rech­te be­hin­der­ter Men­schen“.

Auf die beiden Ehrenamtlichen im Rheingau-Taunus-Kreis wartet viel Arbeit. Beide konstatieren derzeit:

Doch auch 14 Jahre nach der Verabschiedung der Konvention haben Menschen mit Einschränkungen mit unüberwindbaren Barrieren zu kämpfen.

Was die beiden Bushaltestellen in Taunusstein Wehen in der Platter Straße betrifft – Waldstraße und Walkmühlstraße – ist hier die barrierefreie Umgestaltung aufgrund der geplanten und absolut notwendigen Sanierung der Platter Straße für die Jahre 2025 – 2027 angedacht. An der Haltestelle Waldstraße will des Öfteren ein älterer Herr mit dem Bus mal in Richtung Hahn, mal in die Gegenrichtung mitfahren. Der Buskunde ist behindert und allein in einem elektrischen Rollstuhl unterwegs. Anstatt selbstständig von der Haltestelle in den Bus hineinrollen zu können, ist er hier stets auf Hilfe von Menschen angewiesen, welche die im Bus mitgeführte Rampe hinunter zum Bürgersteig ausklappen. Ja, die Busse haben inzwischen alle vorgesehene Plätze für Rollstuhlfahrer, Ein- und Ausstieg stellt an einigen Stellen aber immer noch eine ohne Hilfestellung unüberwindbare Barriere dar.

Die Zeit arbeitet für die Stadt Taunusstein. Der ältere Herr fährt in fünf Jahren, wenn der Umbau in der Platter Straße beendet sein könnte, vielleicht nicht mehr allein mit seinem Gefährt, das ihm eigentlich eine Unabhängigkeit garantieren sollte und alle Eltern, die den Kinderwagen jetzt hinein in den Bus wuchten müssen, haben in dieser Zeit die Kinder so groß, dass der Wagen entbehrlich wird. Aber es werden weiter Kinder geboren und Menschen, die mit Rollatoren und Einkaufs-Shoppern den wichtigen Öffentlichen Nahverkehr nutzen möchten, haben hier noch viele Jahre mit Benachteiligung zu kämpfen. Positiv zu bemerken ist an dieser Stelle, dass unser EMIL, der On-Demand-Shuttle-Bus, als barrierefreies Fahrzeug inzwischen auch per App zu buchen ist.

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